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Ignatz Nacher

Quelle: folgt

Im Archiv des Leo Baeck Institute New Yorkfindet sich unter LBI Memoir Collection ME 459ein aufschlussreicher Bericht über den Werdegang von Ignatz Nacher (25.11.1868 –15.09.1939). Über seinen Weg vom Zigarrenhändler zum Generaldirektor heißt es zunächst nur kurz:

„Ignatz Nacher was born in
Silesa in 1868. He worked as an apprentice in acigar store. In 1901 he entered the Engelhardt brewery as a employee. Under his management the brewery became Germany's second largest brewery in the 1920s. He died shortly after his emigration to Switzerland in 1939.“

Als
Unternehmer wurde er dank seiner Erfindung der Pfandflasche und der Pasteurisierung so wie dem Erfolg alkoholfreien Malzbiers vermögend und baute später die Berliner Engelhardt-Brauerei zur zweitgrößten Brauerei-Gruppe Deutschlands auf. Seinerzeit musste das Bier schnell verbraucht werden. Am besten gleich bei oder in der Nähe der Brauerei. Deshalb gab es in Berlin an den vielen Brauereien und an jeder Ecke Kneipen ohne Ende. Erst die Pasteurisierung und Abfüllung in Pfandflaschen brachte einen tiefgreifenden Wandel. Bahnbrechende Neuerungen, die auf Louis Pasteur und Ignatz Nacher zurückgehen.

Nacher stammte ursprünglich aus Österreich-Schlesien, wo seine Eltern in Wiejska einen kleinen Laden betrieben, und war ausgewandert. In „Jüdische Vielfalt zwischen Ruhr und Weser”, einer Schriftenreihe des Evangelischen Forums Westfalen und der Evangelischen Stadtakademie Bochum, wird der „Einbürgerungsfall Ignatz Nacher“ ausführlich geschildert. Bei der Hohen Fürstlichen Regierung in Detmold hatte er „gehorsamst” das Gesuch eingereicht, seine ”Naturalisation geneigtest vornehmen” zu wollen. Er war österreichischer Staatsbürger, betrachtete sich jedoch als Deutscher, da er eine deutsche Mutter hatte, mit einer deutschen Frau verheiratet und als Deutscher erzogen worden war. Er gab ferner an, mosaischer Religion zu sein, die damals offizielle Glaubensbezeichnung. 1933, nach der sogenannten Machtübernahme Hitlers und dem Boykott von Geschäften und Unternehmen, deren Besitzer als jüdische Deutsche galten, boykottierten die Nazis zunächst das Engelhardt-Bier „vom Juden“. Dann wurde nacheinem intriganten, perfiden „Drehbuch“ ein Strafverfahren vor dem Landgericht Berlineingeleitet. Göring nannte es später offiziell die „Ausschaltung der Juden aus der deutschen Wirtschaft“. Nacher wurde gezwungen als Generaldirektor zurücktreten, auf seine Aktienmehrheit abzugeben und den Engelhardt-Firmensitz am Alexanderplatz zu verkaufen. Wie aus einem Bericht im Leo Baeck Institut der American Jewish Historical Society hervorgeht, wurde Nacher im Gefängnis des Polizeipräsidiums am Alexanderplatzgefoltert. Seelisch gebrochen und schwer krank an Diabetes, erteilte er dort einem „Nazianwalt eine Generalvollmacht welche dieser 2 Tage später dazu benutzte um Nachers gesamten Aktienbesitz an die Bank für ein Butterbrot zu verschleudern“. Nutznießer dieser "Arisierungsmaßnahme" war vor allem die Dresdener Bank, die nun Besitzerin der Engelhardt AG wurde. Der Alterswohnsitz in Bad Tölz wurde von der Flick-Gruppe übernommen. Nach weiteren langjährigen Schikanen aller Art wurde erst 1939 die Ausreise Nachers in die Schweiz nach „rechtstaatlich“ firmierten Zahlungen wie der „Reichsfluchtsteuer“ genehmigt. So wurde er um sein gesamtes Restvermögen gebracht. Es entsprach etwa dem Betrag, den er als „Entschädigung“ erhalten hatte – ganz nach Görings proklamierter Direktive.
Ignatz Nacher starb am 15. September 1939 völlig verarmt inZürich. Es war kein Einzelschicksal. Die Kempinskis mögen für all die weiteren stehen.
Das Finanzamt-Schöneberg forderte am 14. März 1939 unter Nachers Steuernummer 46/336 zusätzlich ein:
• 531.278,00 Reichsfluchtsteuer
• 544.000,00 Judenabgabe
• 319.788,00 Auswanderungsabgabe
• 265.840,58 Dego-Abgabe
Alles zusammen 1.660.916,58Reichsmark, ohne zwei zuzahlende "Sühneleistungen" gerechnet. Das Protokoll einer „Besprechung über die Judenfrage“ unter Vorsitz von Hermann Göring mit weiteren Nazi-Größen am 12. November 1938 nach den Pogromen am 9.November belegt, wie laut G. Ab sofort offiziell verfahren werden konnte: „Nun spreche ich von den ganz großen Unternehmungen, wo der Jude noch zum Teil im Aufsichtsrat drin ist, wo ihm Aktien usw. gehören und er dadurch entweder Besitzer oder Nachbesitzer...jedenfalls sehr stark interessiert ist. Auch da ist die Sache verhältnismäßig einfach: Er liefert das gesamte Aktienpaket aus. Diese Aktien werden ihm zu dem Kurs abgenommen, der von der Treuhand festgesetzt wird. Der Jude ist damit im Schuldbuch drin“. Der Bochumer Historiker Dieter Ziegler hat in seinem Buch Die Dresdner Bank und die deutschen Juden über die Arisierung des Unternehmens geschrieben. Der Bund der Antifaschisten Berlin-Pankow machte Nachers Geschichte in einer Ausstellung» Jüdisches Leben in Pankow – Vom Anbeginn zum Neubeginn« bekannt.

 

Zum Weiterlesen...


  • Jüdisches Leben in Pankow
  • Ignatz Nacher in anstageslicht.de
  • "Die Quellen sprechen"
  • Jüdische Vielfalt zwischen Ruhr und Weser, Erträge der Biennale: Musik & Kultur der Synagoge 2012/2013, Manfred Keller, Jens Murken; LIT Verlag Münster 2014, Seite 75 ff.
  • Leo Baeck Institute Archives New York, LBI Memoir Collection (ME 459), „Bericht ueber Generaldirektor Ignatz Nacher, frueher Berlin“ – Author/Creator Ferdinand Nacher;DescriptionShort biographical sketch about the brewer Ignatz Nacher from Berlin ..

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